Die letzten Tage waren anstrengend. Die anderen Teilnehmer und ich nippen verschlafen an unserem Kaffee, der uns hier in Norwegen glücklicherweise in rauen Mengen serviert wird. Als Bettina Husebø mit ihrem Vortrag beginnt, ändert sich die träge Stimmung jedoch schlagartig. Die Professorin für Alters- und Pflegeheimmedizin stammt ursprünglich aus Deutschland. Der Liebe wegen ging sie mit ihrem Mann in seine norwegische Heimat, wo sie heute an der Universität Bergen arbeitet.
Das klingt meiner Meinung nach gar nicht so übel. In Norwegen ist die Gesundheitsversorgung Sache des Staates und wird mit Steuergeldern finanziert bis auf einen gedeckelten Eigenanteil jedes Bürgers. Das erscheint mir gerechter als das System in Deutschland, wo sich Gutverdiener privat versichern, bessere Leistungen erhalten und aus dem solidarischen System der gesetzlichen Krankenkassen rausziehen können. Doch Bettina Husebø zufolge hat auch das zentral organisierte System Nachteile – etwa, dass viele Patienten lange Zeit auf eine Behandlung warten müssen.
Diese bei Menschen mit Demenz zu erfassen, sei aus verschiedenen Gründen extrem schwierig, erklärte uns die Forscherin. So könnten die Betroffenen oftmals den Verlauf und die Qualität der Schmerzen nicht angeben oder ihre körperlichen Reaktionen ließen sich nicht eindeutig interpretieren. Husebø zufolge kann das Schmerzempfinden von Menschen mit Demenz am besten in ihrer gewohnten Umgebung festgestellt werden. Die unter Husebøs Leitung entwickelte Schmerzskala MOBID (Mobilization – Observation – Behaviour – Intensitiy – Dementia, zu Deutsch: Mobilisierung – Beobachtung – Verhalten – Intensität – Demenz ) ist ein Instrument, mit dem Pflegende bei der Morgenpflege das Schmerzempfinden von Patienten mit schwerer oder moderater Demenz ermitteln können. Die MOBID Schmerzskala sowie eine Erklärung zur Anwendung findet ihr am Ende des Artikels zum Herunterladen. Ihr zufolge wissen Ärzte und Medizinstudenten nur wenig über Altersmedizin – und das, obwohl Pflegeheime in Norwegen fest angestellte Ärzte haben. „Das wollte ich ändern und ein entsprechendes Zentrum an der Universität Bergen gründen“, sagt Husebø. Gesagt, getan: 2012 eröffnete das Centre for Elderly and Nursing Home Medicine (SEFAS). Die MOBID Schmerzskala auf Deutsch zum Download Anleitung zur MOBID Schmerzskala auf Deutsch zum Download Weitere Berichte zur Studienreise Demenz im Krankenhaus findet ihr hier: Tag eins: Studienreise nach Norwegen Tag zwei: Norwegen hat einen Plan Tag drei: Häkeln statt fixieren Tag vier: Schmerztherapie bei Demenz Tag fünf: Interdisziplinäres Teamwork machts möglich Dieser Artikel wurde am 1. Juni 2017 veröffentlicht
4 Kommentare
Die Schmerzskala soll ich mir auch merken: Mobilisierung – Beobachtung – Verhalten – Intensität – Demenz. Vielen Dank für die fesselnde Methode. Ist die auch bei der Osteoarthrose wirksam? Im Voraus würde ich sehr dankbar für die Tipps dazu sein!
Liebe Helga, vielen Dank für deinen Kommentar – ich freue mich, dass mein Blog-Beitrag dir helfen konnte. Leider muss ich beim Thema Osteoarthrose passen – aber vielleicht schaut ja ein anderer Leser hier vorbei, der oder die etwas darüber sagen kann? Alles Liebe, Kati
Vielen Dank für den Beitrag zum Thema Schmerztherapie bei Demenz. Meine Nachbarin ist mit ihrer Mutter in einer Praxis für Schmerztherapie, da es schwierig ist, sie richtig auf Schmerzmittel einzustellen. Gut zu wissen, dass Demenzkranke den Verlauf und die Stärke der Schmerzen oft schwer angeben können.
Mein Bruder sucht seit einiger Zeit nach Tipps zu Palliativbetreuung. Gut, dass ich den Beitrag hier gefunden habe. Die Informationen sind wirklich hilfreich und interessant.