Bayreuth – Heute ist ein besonderer Tag im AWO-Zentrum Bayreuth. Am Morgen ist ein vierköpfiges Videoteam aus Hessen angereist. Es will die Mitarbeiter interviewen den Alltag in dem auf Menschen mit Demenz spezialisierten Pflegeheim filmen und fotografieren. „Wir sind so gespannt!“, sagt Hauswirtschaftsleitung Gabriele.
Der Film und die Fotos sind Teil des Kommunikationspakets, das die Einrichtung beim Wettbewerb „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“ von Transgourmet Deutschland gewonnen hat. Dabei geht es nicht nur ums Kochen für Senioren, sondern vor allem darum, den Bewohnern trotz Demenz und anderer Einschränkungen ein genussvolles Leben zu ermöglichen. Auf Einladung von Transgourmet habe ich das Videoteam begleitet – und die Gelegenheit genutzt, um mir ein eigenes Bild zu machen.
„Die Bewohner leben in vier Hausgemeinschaften mit jeweils zwölf Personen zusammen“, erklärt mir Marion, die Geschäftsführerin des vor mehr als zwei Jahren neu eingeweihten AWO-Zentrums Bayreuth. Dabei haben sie die Wahl zwischen vier Wohnumfeldern: dem Stadthaus, dem Kunsthaus, dem Landhaus und dem Handwerkerhaus. Bürgerlich, farbenfroh, gemütlich oder rustikal – die Räume der einzelnen Bereiche sind unterschiedlich eingerichtet, damit sie Menschen mit verschiedenen Lebensstilen ansprechen.
Milieutherapie nennt man dieses Konzept, bei dem der Wohn- und Lebensraum und das soziale Umfeld so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen der Menschen, die in ihnen leben, möglichst gerecht werden.
Egal, wo ein Bewohner lebt – gegenseitige Besuche sind jederzeit möglich. Zwischen den Wohnbereichen gibt es außerdem verschiedene Gemeinschaftsräume, zum Beispiel einen Partyraum und eine Werkstatt. In letzterer werkeln die Mitarbeiter der Haustechnik und sind dafür ausgebildet, interessierte Bewohner in bestimmte handwerkliche Tätigkeiten mit einzubeziehen.
Ein wichtiger Bestandteil des Zusammenlebens in der Bayreuther Einrichtung ist die gemeinsame Hausarbeit. Statt Kochen für Senioren wird daher hier Kochen mit Senioren praktiziert. So treffe ich im Kunsthaus auf eine Gruppe von Bewohnern, die mit Unterstützung einer Pflegerin Kirschkuchen bäckt. Das scheint bei einer Dame so schöne Erinnerungen zu wecken, dass sie sich die Kirschen an die Ohren hängt und fröhlich lächelt (siehe Foto oben).
Und auch beim Wäsche waschen oder Aufräumen gehen die Bewohner den Mitarbeitern zur Hand. „Da dies Tätigkeiten sind, die viele von früher kennen und häufig noch beherrschen, finden sie darin eine sinnvolle Beschäftigung“, betont Leiterin Marion.
Das AWO-Zentrum Bayreuth setzt auf den personzentrierten Ansatz von Tom Kitwood. Dieser geht davon aus, dass bei Menschen mit Demenz die Beziehungs- und Emotionsebene an Bedeutung gewinnt, während die kognitiven Fähigkeiten abbauen. Demnach ist eine individuelle Begleitung durch feste Bezugspfleger besonders wichtig. „Wenn ein Bewohner kurz davor ist, in Tränen auszubrechen, kann ich durch eine Umarmung dafür sorgen, dass er sich besser fühlt“, sagt Fachpfleger Jörg.
Unterstützung erhalten Jörg und die anderen Pflegenden von den Kolleginnen, die in den vier Wohnküchen der Hausgemeinschaften arbeiten. Ihre Aufgabe ist es nicht nur, für die Senioren zu kochen und den Haushalt zu führen – sie sind gleichzeitig ausgebildete Alltagsbegleiterinnen und Pflegehelferinnen. Ihr Arbeitsplatz sind die Wohnküchen – und wenn sie die Dokumentation machen müssen, öffnen sie einfach eine abschließbare Schrankwand, und ein kleines Büro kommt zum Vorschein.
Im Landhaus bietet mir Alltagsbegleiterin Petra eine Suppe an. Sie gehört seit der Eröffnung des Hauses zum festen Team des Wohnbereichs und wirkt sehr vertraut mit den Senioren. „Die Bewohner stehen immer an erster Stelle – ganz egal, ob sie mir bei der Hausarbeit helfen, sich unterhalten möchten oder Unterstützung bei einem Toilettengang benötigen“, sagt sie.
Im Gespräch mit Petra, Jörg und den anderen Mitarbeitern des AWO-Zentrums Bayreuth erhalte ich den Eindruck, dass hier nicht nur die Möbel und die Ausstattung auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt sind. Sei es beim Kochen für die Senioren oder bei der gemeinsamen Hausarbeit – auch die Pflegenden stellen sich immer wieder neu auf die Menschen mit Demenz ein. Wenn es das Filmteam schafft, diese Haltung festzuhalten und wiederzugeben, hat es einen guten Job gemacht.
Dieser Beitrag wurde am 26. Oktober 2018 veröffentlicht.
Wettbewerb für emotionale Genusskonzepte in der Seniorenverpflegung von Transgourmet Deutschland.
Weitere Infos unter www.kochen-fuer-senioren.de
3 Kommentare
Hallo Kati, ein toller Blog, wenn ich das so sagen darf.. Vor circa 1 halben Jahr habe ich ebenfalls entschieden, mich thematisch in diese Richtung zu bewegen. Zwar weiss ich nicht, wieviel Eigenwerbung hier erlaubt ist 🙂 (https://www.seniorenservice-leipzig.de) aber was man oft hört, ist das Klagen von Senioren darüber, dass Betreuungdienste kaum Zeit haben, weil sie gleich wieder zum nächsten „Kunden“ weiter fahren müssen. Solche Senioren-WGs samt Veranstaltungen, wie in Deinem Artikel beschrieben, sind in Anbetracht dessen natürlich ideal. Meine Idee war, den älteren Herrschaften und Damen den Service ZEIT hier in Leipzig bei sich zu Hause anzubieten. Ich wünsche Dir weiterhin reichlich gut Ideen für Deine Artikel. Grüsse, Pete
Verschiedene Aktivitäten gemeinsam anzugehen, wie etwa kreative Handarbeiten oder das Kochen, ist in der Tat eine gute Möglichkeit für Senioren, den Alltag fröhlich und voller Zusammenhalt zu gestalten. Unabhängig von dem Alter bereiten Beschäftigungen schließlich deutlich mehr Freude, wenn sie in der Gruppe erlebt werden. In einem Altenheim bietet sich Senioren die ideale Gelegenheit, die alltäglichen Herausforderungen stets mit Hilfe eines einfühlsamen und erfahrenen Pflegedienstes zu meistern, und gleichzeitig wertvolle Freundschaften mit anderen Personen zu knüpfen.
Es ist eine gute Idee, unterschiedliche Raumeinrichtungen für pflegebedürftige Senioren anzubieten. Schließlich ist die Einrichtung des Wohnumfelds entscheidend für dauerhafte Zufriedenheit. Da viele Senioren es bevorzugen, aus ihren liebgewonnen eigenen vier Wänden nicht auszuziehen, ist es außerdem gut, dass Pflegekräfte auch Hausbesuche abstatten, um Menschen im hohen Alter bei der Erledigung alltäglicher Aufgaben zu unterstützen.