Berlin – Die Pflege und Barcamps passen zueinander wie Zucker und Espresso – davon konnte ich mich schon zum zweiten Mal in diesem Jahr überzeugen. Im Juni war ich beim CareCamp in der Uniklinik Köln, heute steht das Aktivcamp Pflege im Betahaus in Berlin-Kreuzberg an.
Das Besondere an den sogenannten Un-Konferenzen: Vorab steht nur der organisatorische Rahmen fest, alles andere bestimmen die Barcamp-Teilnehmer zu Beginn gemeinsam. Jeder kann (und soll) offene Workshops, sogenannte Sessions, anbieten. Anders als bei klassischen Vorträgen gestalten aber alle zusammen den Inhalt der Session – und das ist meistens ziemlich förderlich für die Kreativität.
So auch heute in Berlin. Geladen hat das Team Scharfenberg, das aus der ehemaligen pflegepolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag Elisabeth Scharfenberg, ihrem Mann Ulrich sowie ihrer Mitarbeiterin Inga besteht. Unter den Teilnehmern sind Auszubildende, aber auch Führungskräfte, Pflegende und Pädagogen.
Da bei Barcamps immer alle Sessions parallel laufen, kann ich nicht alles mitschneiden, was dort besprochen wird. Aber das ist auch nicht so schlimm. Vor allem geht es nämlich darum, mit den unterschiedlichsten Leuten Netzwerke zu knüpfen, gemeinsam frei zu denken und auch mal ein bisschen rumzuspinnen, um neue Ideen und Lösungen zu entwickeln.
Wenn ich jetzt also ein wenig von meinen Eindrücken berichte, hat das absolut keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht liest ja sogar der oder die eine oder andere Teilnehmer*in diesen Beitrag, und möchte in Form eines Kommentars etwas ergänzen? Ich würde mich freuen!
Bei mir ist zum Beispiel die Session von Uta hängengeblieben, die mit ihrem Pflegedienst Care4Me. in Berlin eine Organisationsform ausprobiert, bei der die Mitarbeiterinnen – sie nennt sie die „Girls“ – nicht nur den Zeit- und Einsatzplan selbst schreiben, sondern auch aussuchen dürfen, welche Kunden sie pflegen wollen. Als ich frage, ob die „Girls“ auch selbst bestimmen dürfen, was sie verdienen, erwidert Uta, dass sie noch rote Zahlen schreibe – aber wenn sich das ändere, könnte sie sich durchaus vorstellen, den Gewinn zu teilen.
In einer anderen Session geht es ebenfalls um neue Arbeits- und Organisationsformen. Der Fachkräftemangel führt offensichtlich dazu, dass alte Konzepte kritisch hinterfragt und alternative Modelle ausprobiert werden. Ein gutes Signal.
Auch Judith Ebel stellt in ihrer Session eine frische Idee vor: die App Supernurse, mit der Pflegepersonen und Auszubildende ihr Wissen testen und Einrichtungen prüfen können, in welchem Bereich noch Schulungsbedarf besteht. Die Daten der Nutzer werden dabei anonym behandelt, sodass der Arbeitgeber die Testergebnisse nicht auf einzelne Personen zurückführen kann.
Als einzige Bloggerin der Gruppe entscheide ich mich spontan, auch eine Session anzubieten. Dabei geht es weniger um meinen Blog (so ein Barcamp ist schließlich keine Werbeveranstaltung), als um Storytelling in Blogs und sozialen Medien – und wie die Pflege das nutzen kann, um Themen zu kommunizieren, die ihr wichtig sind. Dabei diskutieren wir etwa darüber, wie sinnvoll es ist, wenn sich Pflegeeinrichtungen über einen Blog mit Erfahrungsberichten ihrer Mitarbeiter als gute Arbeitgeber präsentieren (sehr sinnvoll, wenn es gut gemacht und authentisch ist).
Außerdem geht es um Interessengruppen auf Facebook (zum Beispiel Pflege in Berlin & Deutschland), einer Plattform in den Sozialen Medien, sowie die Initiative Pflege macht Schule von Leoni, die sich an alle Lehrenden von Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien richtet. Pflege macht Schule bietet an, mit Pflegefachpersonen an die Schulen zu kommen und im Rahmen der Berufsvorbereitung einen interaktiven Vortrag über den Pflegeberuf zu halten. Aktuell betreibt Leoni eine Seite auf Facebook und überlegt, wie sie damit möglichst viele Schulen und Schüler erreichen kann.
Meine Einschätzung: Mit Facebook erreicht man maximal Leute ab 25, jüngere tummeln sich auf den Plattformen Instagram oder Snapchat. Um Schüler zu adressieren, wäre also Instagram der geeignetere Kanal – da meine Leser eher älter sind, kenne ich mich damit aber nicht so gut aus. Zum Glück nehmen auch Melissa und Victoria an der Session teil – zwei junge Auszubildende, die der gesamten Gruppe erstmal demonstrieren, wie man ein Boomerang-Video für Instagram macht. Seht selbst!
Außerdem hat die extra aus Köln angereiste Sonja Kröll visuelle Notizen, sogenannte Sketchnotes (siehe Aufmacher), von den Sessions angefertigt. Eine tolle Technik – oder sollte man es lieber Kunstform nennen?
Für mich hatte der Tag außerdem noch eine ungewohnten Erfahrung parat: Elisabeth hat mich interviewt – dabei bin ich doch sonst immer diejenige, die Fragen stellt. Die Ton- und Videoaufnahmen will sie noch zu einem Film zusammenschneiden, der in Kürze auf ihrem Blog elisabeth-scharfenberg.eu zu sehen sein wird.
Nachdem sie das Aufnahmegerät ausgeschaltet hat, komme ich aber doch noch zum Zuge. So erfahre ich unter anderem aus erster Hand, dass Elisabeth Scharfenberg in Zukunft als freie Beraterin für eine gemeinnützige Gesellschaft im Pflegebereich arbeiten und dafür zwischen Bayern und Niedersachsen pendeln wird. Alle anderen Gerüchte sind Quatsch, versichert sie mir.
Meinen Bericht vom Carecamp in Köln findet ihr hier
Dieser Artikel wurde am 27.Oktober 2017 veröffentlicht
6 Kommentare
Ein toller Tag mit tollen Leuten.
Gute Ausbildung in der Pflege ist möglich, fragt sich nur, warum das besondere Einzelfälle sind. An der Frage muss ich arbeiten. Vielen Dank für die guten Anregungen.
Danke Kati für den tollen Blog. Uns hat die Organisation und der gesamte Tag super Spass gemacht. Tolle Menschen, passende Location. Fazit? Wir werden es wieder tun!
Verlinkst du bitte noch unser http://www.team-scharfenberg.de
1000 Dank!
Liebe Elisabeth, das ist toll, ich wäre gern beim nächsten Mal wieder dabei! Danke auch für die super Orga. Team Scharfenberg ist nun verlinkt 🙂
Liebe Kati! Danke für deine Session zum Storytelling – super interessant! Und natürlich auch ganz herzlichen Dank für die Erwähnung in deinem Blogbeitrag und das Foto in Aktion 🙂
Liebe Grüße aus Köln, Sonja
Euch allen herzlichen Dank, dass ich Euch kennenlernen durfte. Es gibt auch in Österreich ein Care Camp, das sich mehr und mehr großer Beliebtheit erfreut. Voneinander lernen über Grenzen hinweg, das macht besondere Freude und Mut. Elisabeth und ich haben einander vor ein paar Jahren kennenlernen dürfen und seither sind wir immer in Kontakt. Pflegepolitik ist etwas, das einem auf der Seele brennt. Weil es dringend ist, die Care Arbeit genau zu analysieren, um sie „menschenwürdig“ zu machen, für alle Beteiligten. Auch Pflege braucht demokratischen Strukturen. Und sie darf in keinem Land, unter keiner Regierung instrumentalisiert werden. Statt Sparstifte anzusetzen braucht es Finanzierung durch Umverteilung durch sozial gerechte Steuerpolitik.
Weil alle ein RECHT auf gute Pflege haben. Ihr habt mir Mut und Zuversicht geschenkt, Danke! Hier auch mein blog im http://www.pflegenetz.at http://www.pflegenetz.at/category/meinhard-schiebel-bloggt/. Ihr findet mich aber auch unter http://www.ig-pflege.at und ich freue mich, mit Euch in Kontakt zu bleiben. Lieben Gruß Birgit
und noch ein ganz toller link zur Pflege in Österreich: http://pflege-professionell.at