Hamburg – Dass sie mit Mitte 50 nochmal eine neue Berufung finden würde, hätte Elke nicht erwartet. Durch Zufall stieß die frühere Büroangestellte vor rund 5 Jahren auf eine Anzeige des Notmütterdienstes Hamburg, bewarb sich – und ist seitdem als Betreuerin im Einsatz. Schnell merkte sie, dass der Job für sie mehr ist als ein reiner Broterwerb. „Es ist ein gutes Gefühl, Menschen in Not für ein paar Stunden im Alltag zu entlasten.“
In der Regel kümmern sich die „Notmütter“ in Familien um die Kinderbetreuung und helfen im Haushalt – zum Beispiel, wenn ein Elternteil krank oder gestorben ist. Weniger bekannt ist, dass sie auch zu Senior*innen nach Hause gehen, die Unterstützung im Alltag benötigen. In manchen Fällen lässt sich diese Leistung sogar über die Pflegekasse abrechnen, etwa, wenn pflegende Angehörige krank oder im Urlaub sind (Verhinderungspflege) oder im Rahmen der Alltagsbegleitung, die Menschen mit einem Pflegegrad zusteht.
Während die Familien meistens einfach nur froh sind, dass jemand kommt und sie entlastet, hat Elke bei alten Menschen ganz andere Erfahrungen gemacht. Hier seien es häufig die Angehörigen, auf deren Initiative sie beauftragt werde. „Die Senioren selbst sind eher skeptisch und wollen erst mal keinen reinlassen“, sagt die heute 59-Jährige. Deshalb steht oft ein erstes Gespräch zum Kennenlernen an, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnt. „Da stelle ich mich dann vor und versuche herauszufinden, welche Bedürfnisse mein Gegenüber hat“, berichtet Elke.
Mitunter stellt sich dabei heraus, dass die Senior*innen in erster Linie jemanden brauchen, der sich Zeit für sie nimmt und ihnen zuhört. So war es zum Beispiel bei einer alten Dame, die zunächst recht barsch wirkte. Nach einigen Gesprächen merkte Elke, dass dahinter eine große Traurigkeit und Einsamkeit steckte. „Wir haben dann lange über sie und ihren verstorbenen Mann geredet – bis wir schließlich sogar gemeinsam herzlich lachen konnten.“
Elke empfindet die Arbeit mit den Senior*innen als bereichernd. „Alte Menschen werden oft unterschätzt, dabei können wir viel von ihnen lernen und von ihren Lebensweisheiten profitieren.“
In den Gesprächen erzählen die alten Menschen Geschichten vom Krieg, schweren Schicksalsschlägen und großen Entbehrungen. „Manchmal sitze ich da und bekomme eine Gänsehaut“, sagt die „Notmutter“. So etwa, als eine alte Frau ihr berichtete, wie sie früher in der Mittagspause immer ihr mitgebrachtes Butterbrot aß, um Geld für ihr eigenes Haus zu sparen, während die Kollegen zusammen ins Restaurant gingen.
Eine Ausbildung als Alltagsbegleiterin oder Seniorenbetreuerin hat Elke nie gemacht. Allerdings hält der Notmütterdienst die Betreuerinnen regelmäßig zu Fortbildungen und Schulungen auf dem Laufenden und steht ihnen auch beratend zur Seite, wenn sie ein Problem oder eine Frage haben. Bei der Begleitung der alten Menschen helfen Elke zudem ihre Erfahrungen mit den eigenen Eltern: Vor rund 25 Jahren kümmerte sie sich um ihren kranken Vater, 20 Jahre später begleitete sie ihre krebskranke Mutter in ihrer letzten Lebensphase in einem Hamburger Hospiz.
Für den Notmütterdienst arbeiten Elke und ihre Kolleginnen auf selbstständiger Basis – das heißt, sie entscheiden selbst, wo und wie viel sie arbeiten. Bei Elke sind es zurzeit etwa 20 bis 30 Stunden in der Woche. Da sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Einsätzen fährt, ist sie für gewöhnlich nur bei Familien oder Senior*innen in ihrer direkten Umgebung im Einsatz.
Darüber, dass sie mal nicht genug Aufträge bekommt, braucht sich Elke indes keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil: Der Notmütterdienst sucht ständig neue Betreuer*innen.
Dieser Beitrag wurde am 1. Oktober 2019 veröffentlicht.
Aufmacherfoto: Gerd Altmann / Pixabay