Ahrensburg – Eine kräftige Frau in weißer Kochkleidung schlägt dreimal auf einen metallenen Gong. Es ist 12 Uhr, Zeit zum Mittagessen. Im Café des Pflegeheims Tobias-Haus sitzen drei Senioren, vier Mitarbeiter und ich. Eine Bewohnerin spricht ein kurzes Gebet, dann serviert uns die Köchin zusammen mit einem sehr jungen Bundesfreiwilligendienstleistenden Suppe.
Mir gegenüber sitzt Matthias. Zehn Jahre hat er in der Altenpflege gearbeitet. Heute kommt der Beruf für ihn nicht mehr infrage. „Die körperliche Belastung ist zu groß, bis zur Rente hätte ich das nicht geschafft“, sagt Matthias. Stattdessen arbeitet der 43-jährige in der Betreuung des Pflegeheims und unterstützt Bewohner bei alltäglichen Belangen. „Ich bin überall und nirgends“, beschreibt Matthias sein Einsatzgebiet und zwinkert mir zu.
Bevor wir uns heute getroffen haben, hat er zum Beispiel eine Ballrunde geleitet. Dafür trommelt er zusammen mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin jeden Freitagvormittag Bewohner aus dem Haus zusammen.
„Anfangs war es nur eine ganz kleine Runde mit zwei bis drei Teilnehmern in einer der Wohnküchen“, sagt er. Als dann nach und nach immer mehr Bewohner mitmachen wollten, verlegte er das Freizeitangebot in den Festsaal des Hauses. Mittlerweile kommen dort regelmäßig mehr als zehn Senioren zusammen.
Auf Stühlen oder Rollstühlen bilden sie einen Kreis und werfen, rollen oder schießen sich einen großen Gymnastikball zu. „Der ist sehr flexibel und springt, wenn man ihn auf den Boden wirft“, erklärt Matthias. Das Spiel macht den Bewohnern riesigen Spaß, auch wenn es manchmal recht wild zugeht. Verletzt hat sich aber noch keiner. „Nur einmal ist eine Brille kaputt gegangen, seitdem bitte ich die Teilnehmer immer, Brillen wenn möglich abzusetzen“, sagt Matthias.
Springt der Ball aus dem Kreis, läuft Matthias hinterher und wirft ihn zurück in die Runde. Nach rund 45 Minuten lässt er ihn dann langsam ausrollen, schiebt eine CD in den Player und spielt sanfte Musik, zu der er eine Entspannungsübung anleitet. Danach gehen oder rollen die Bewohner zum Mittagessen und Matthias dokumentiert, wer heute dabei war.
Die Dokumentation ist wichtig als Nachweis für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), der kontrolliert, was die von den Pflegekassen finanzierten „zusätzlichen Betreuungskräfte“ (nach § 43b SGB XI ) leisten. Außerdem hilft sie den Pflegekräften im Haus nachzuvollziehen, wie es den Teilnehmern geht. Damit er selbst auch besser über das Befinden „seiner“ Bewohner im Bilde ist, nimmt Matthias einmal wöchentlich an dem Übergabegespräch seiner Kollegen aus der Pflege teil.
Ball spielen ist nicht das einzige Angebot, das Matthias leitet. Er liest auch einer Gruppe von Senioren regelmäßig vor, begleitet Spiel- und Kinoabende, Konzerte sowie eine Puzzle-AG und fährt mit Bewohnern in die Stadt zum Markt. „Die meisten Angebote haben sich spontan entwickelt, weil Bewohner Lust dazu hatten“, sagt er.
Neben den Gruppenangeboten spielt auch die Einzelbetreuung eine wichtige Rolle in Matthias Job. So ist er für zwölf Bewohner individuell zuständig, mit denen er spazieren geht, Gespräche führt oder sie zum Arzt begleitet. Dabei kommt es ihm und seinen Schützlingen zugute, dass er eigentlich examinierter Altenpfleger ist. „Dadurch kann ich auch mal einen Bewohner transferieren und die Anordnungen des Arztes an die Pflegekollegen weitergeben“, sagt Matthias.
Dass er sich für eine Tätigkeit in der Altenpflege entschieden hat, liegt vor allem daran, dass ihm alte Menschen sehr am Herzen liegen. „Früher war ich immer gerne mit meinen Großeltern zusammen.“ Nachdem er ein Schulpraktikum in einem Hamburger Pflegeheim gemacht hatte, gefiel es ihm dort so gut, dass er sich für die Ausbildung bewarb, die er erfolgreich absolvierte.
Ein Entschluss, den er bis heute nicht bereut hat. Es sind vor allem die kleinen Dinge, die ihm an der Arbeit mit Senioren gefallen. „Ich bin immer unterwegs und bleibe beweglich – das tut mir gut.“
Und auch die Bewohner scheinen die Zeit mit Matthias zu genießen. So kommen wir beim Mittagessen ins Gespräch mit seiner Tischnachbarin, die angeregt davon erzählt, wie sie früher in ihrer eigenen Wohnung selbst kochte. Als sie mitbekommt, dass ich auf meinem Blog über Matthias schreiben will, lässt sie sich genau erklären, wann und wie sie den Bericht lesen kann. Und wer weiß, vielleicht sitzt sie ja grade am Rechner und freut sich, dass sie jetzt ein bisschen mehr über den hilfsbereiten jungen Mann weiß, der es ihr ermöglicht, sich trotz Rollstuhl beim Ballspiel zu ertüchtigen.
Dieser Beitrag wurde am 12. März 2019 veröffentlicht.
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