Portraetfoto von Ute Kenyon, die einen Pflegedienst in Dortmund leitet

Ute Kenyon besitzt einen Pflegedienst in Dortmund

Chefin eines Pflegedienstes

PFLEGE AUS LEIDENSCHAFT

Porträt meiner ehemaligen Kommilitonin Ute, die in Dortmund erfolgreich einen Pflegedienst und vier Demenz-WGs betreibt

Dortmund – Ich sehe Ute mit ihren langen blonden Haaren schon von weitem durch die Glastür. Sie ist nicht allein in dem wuseligen Souterrain-Büro. Ein sportlicher Mann in Jeans und eine ältere Dame mit violett-weißem Haar reden aufgeregt auf sie ein. Ich schnappe einige Gesprächsfetzen auf. Es geht um einem Arztbesuch und einen Patienten, der sich nicht waschen lassen will. Ute hört sich die Argumente an und gibt dann – freundlich aber bestimmt – Anweisungen: „Ruf beim Arzt an und frag nach“ und „wenn der Patient nicht will, können wir ihn nicht zwingen.“ Man merkt, dass sie es gewohnt ist, in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren.

Die beiden – Utes Mutter Lioba und ihr Ex-Mann Phil, wie ich später erfahre – gehen zurück an die Arbeit. Ute begrüßt mich herzlich und entschuldigt sich für das Durcheinander: „Freitag ist Großkampftag“.

WG-BESICHTIGUNGSTOUR DURCH DORTMUND

Die 50-jährige Unternehmerin spricht aus langjähriger Erfahrung. Seit 1991 führt sie einen Pflegedienst in Dortmund-Brackel. Inzwischen hat sie rund 62 Mitarbeiter, acht Auszubildende und mehr als 200 Patienten, von denen 29 in von ihr gegründeten Demenz-Wohngemeinschaften (WGs) leben. In einer dazugehörigen Beratungsstelle unterstützen außerdem zwei Sozialarbeiterinnen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen – unter anderem mit einem regelmäßigen Gruppenangebot, bei dem sie basteln, singen und spielen.

Demenz-WG Pflegedienst Ute Kenyon Villa Elisabeth

Demenz-WG „Villa Elisabeth“: Moderner Bungalow mit Terrasse und Garten

 

Ute und ich steigen in ihren schwarzen Mini und fahren los. WGs besichtigen. Sie führt mich durch die einzelnen Häuser, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zuerst besuchen wir ein in die Jahre gekommenes Einfamilienhaus in der noblen Dortmunder Gartenstadt – die älteste WG, die Ute liebevoll „Knusperhäuschen“ nennt. Als nächstes steht die „Villa Elisabeth“ auf dem Plan – ein moderner Bungalow in direkter Umgebung des Westfalenparks. Den Abschluss bildet die „Villa Lioba“, ein Verbund aus zwei WGs in einem schlichten Mehrfamilienhaus im zentral gelegenen Dortmund-Körne.

In den einzelnen WGs leben bis zu acht Bewohner im Alter von 70 bis 90 Jahren – die meisten von ihnen sind demenziell verändert. Utes Pflegedienst ist Träger der Einrichtungen, in denen die Bewohner rund um die Uhr von Pflegekräften betreut werden.

GESCHÄFTSFRAU MIT HERZ

Wenn uns bei unseren Besichtigungen Bewohner begegnen, begrüßt Ute sie freundlich per Handschlag oder mit einer Umarmung. Einem Herren streicht sie fürsorglich über die stoppelige Wange und stellt fest, dass er eine Rasur benötigt. Als die diensthabende Pflegekraft erklärt, dass dies aufgrund seiner empfindlichen Haut sehr schwierig sei, verabredet sich „Schwester Ute“, wie viele sie hier nennen, spontan mit ihm für den kommenden Tag. Sie will neue Rasierklingen besorgen und selbst Hand anlegen.

Vor einigen Jahren fuhr die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin noch eigene Touren und hat alte und kranke Menschen zu Hause gepflegt. „Nachdem sich die Zahl der Patienten fast verdoppelt hat, geht das aber nicht mehr“, sagt Ute nicht ohne Wehmut.

PFLEGEDIENST ALS FAMILIENBETRIEB

Der Pflegedienst ist ein echter Familienbetrieb: Utes erwachsene Tochter ist stellvertretende Pflegedienstleitung der Ex-Mann Phil kümmert sich um die Verwaltung. Mutter Lioba hat früher die Rezeption geleitet, heute kommt die inzwischen 81-Jährige noch dreimal die Woche für einen halben Tag in den Pflegedienst, „um Akten zu sortieren, Rezepte zu bestellen und die Männer mit selbstgemachten Frikadellen zu versorgen“, erzählt Ute. Und selbst Utes Vater Wolfgang, ein pensionierter Ingenieur, schaut ab und an auf einen Kakao vorbei.

Nur ihr jetztiger Mann und ihre jüngere Tochter (acht Jahre) arbeiten nicht für sie. Noch nicht. „Bei der Kurzen könnte ich mir vorstellen, dass sie mal Ergotherapeutin wird, die könnten wir hier dann auch brauchen“, sagt Ute schmunzelnd. „Wenn sie etwas völlig anderes machen will, ist das aber auch okay für mich.“

Foto von Lioba, die beim Pflegedienst Ute Kenyon arbeitet

Packt dreimal die Woche im Pflegedienst mit an: Utes Mutter Lioba (81)

PFLEGEAUSBILDUNG STATT ABITUR

Ute ist Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Leidenschaft. Einen anderen Beruf zu ergreifen, war für sie unvorstellbar. „Meine Mutter ist Krankenschwester, meine Schwester, meine Kusine, die Tochter meiner Kusine, meine ältere Tochter – ich wollte nie etwas anderes“, sagt Ute. Mit 16 brach sie gegen den Willen ihres Vaters das Gymnasium ab, um mit der Ausbildung zu beginnen. „Ich dachte ,wozu noch drei Jahre mit dem Abitur verschwenden‘“, so Ute. Mittlerweile sehe sie das etwas differenzierter.

Ihren Weg ist sie auch ohne Abitur gegangen. Nach drei Jahren Festanstellung im Krankenhaus machte sie sich mit ihrem eigenen Pflegedienst selbstständig. Eine Entscheidung, die sie nie bereut hat. „In der häuslichen Pflege wird einem die gesamte Bandbreite an medizinischem und pflegerischem Wissen abverlangt. Man hat viel Spielraum – das erfordert ein hohes Maß an Kompetenz und Fachverantwortung“, beschreibt Ute die Herausforderungen, die sie an ihrem Job reizen.

BERICHTE AUS DEM PFLEGEDIENSTALLTAG

Mit ihrer Ausbildung und Berufserfahrung sowie einem absolvierten Aufbaukurs konnte Ute sich 2013 für den Masterstudiengang „Versorgung von Menschen mit Demenz“ an der Universität Witten/Herdecke einschreiben, bei dem wir uns kennenlernten. Sie hatte Glück, dass der Studiengang damals noch ganz neu war und besondere Bedingungen galten. Inzwischen wurden die Zugangsvoraussetzungen verschärft, sodass meines Wissens jetzt nur noch Studierende zugelassen werden, die mindestens einen Bachelor-Abschluss haben.

Für mich als absolute Quereinsteigerin im Bereich Pflege war Utes Teilnahme eine große Bereicherung. Wenn sie in unseren Seminaren vom Pflegedienstalltag berichtete, hing ich an ihren Lippen. Keiner konnte die krassen Gegensätze zwischen den sogenannten abrechenbaren Leistungen und der tatsächlichen Pflegepraxis mit so viel Herz und Humor veranschaulichen wie die Pflegedienstinhaberin. Im Herbst 2016 schloss Ute das Studium erfolgreich ab. Seitdem unterrichtet sie nebenberuflich an einem Fachseminar für Altenpflege und arbeitet als Gutachterin.

GRENZEN DER BELASTBARKEIT

Nachdem wir alle WGs gesehen haben, trennen sich unsere Wege zunächst. Im Büro wartet noch Arbeit auf Ute, danach muss sie ihre kleine Tochter abholen. Abends treffen wir uns in einem mongolischen Restaurant im Dortmunder Kreuzviertel wieder.

Ich bin froh, dass Ute sich so viel Zeit für mich und meine Fragen nimmt. Normalerweise ist ihr Alltag eng getaktet. Um alle ihre Aufgaben zu erledigen, arbeitet sie manchmal 34 Stunden am Stück: von sechs Uhr des einen bis 16 Uhr des darauffolgenden Tags. Als bekennende Acht-Stunden-Schläferin bin ich schockiert. „Einfach ist das nicht“, räumt Ute ein. Besonders der tote Punkt gegen drei Uhr morgens mache ihr zu schaffen. „Aber in so einer Nachtschicht schaffst du was!“

Dortmund: Ute vom Pflegedienst Ute Kenyon in einer Demenz-WG

„Knusperhäuschen“: Ute im Wohnzimmer ihrer ältesten WG

 

Dass zu viel Stress nicht gesund ist, weiß Ute nur zu gut. Zwei Pflegedienstinhaber aus ihrem Bekanntenkreis seien kürzlich jung verstorben, erzählt sie mir. „Das bringt der Job mit sich, wenn man ihn wirklich liebt.“ Sie selbst hatte vor rund zwei Jahren ein einschneidendes Erlebnis. Damals fuhr sie nach einer stressigen Arbeitswoche trotz verschleppter Grippe in den Urlaub, wollte dort einen Dreitausender besteigen. „Da hat dann auf einmal der Körper gestreikt, ich kam mit Bluthochdruck ins Krankenhaus“, sagt Ute. Seitdem achtet sie etwas besser auf sich, macht zum Beispiel weniger Telefonbereitschaft am Abend oder am Wochenende.

INNOVATIVE WOHNPROJEKTE FÜR SENIOREN

Eine umtriebige Unternehmerin ist Ute aber nach wie vor. Aktuell entsteht eine weitere WG mit zwölf Bewohnern in unmittelbarer Nähe der Dortmunder City, die noch in diesem Jahr eröffnen soll. Für das Projekt arbeitet Ute erstmals mit einer Stiftung aus Menden zusammen. Mittelfristig könnte sie sich zudem vorstellen, in Süddeutschland einen Verbund aus vier Demenz-WGs zu eröffnen. Mehr verraten will sie darüber aber noch nicht: „Das Projekt muss erst noch mit den Bürgern des Orts diskutiert werden.“

Nachdem sie zwei ihrer bestehenden Wohngemeinschaften nach ihrer Mutter (Lioba) und ihrer Tante (Elisabeth) benannt hat, sollen für die Namen der geplanten Projekte Utes Großmütter Hedwig und Margarethe Pate stehen. „Und was ist mit den Männern?“, frage ich Ute, als wir nach dem Essen durch die von Fußballfans belebte Lindemannstraße schlendern. „Mein Papa hat sich schon beschwert – aber ,Villa Wolfgang‘ klingt einfach nicht so toll “, sagt sie. Jedoch könne sie sich vorstellen, einen Wohnbereich innerhalb einer Einrichtung nach ihrem Vater zu benennen.

Was Ute wohl noch alles machen wird? Ich bin gespannt – und halte euch selbstverständlich auf dem Laufenden!

MEHR ERFAHREN

  • Für Informationen über den Pflegedienst von Ute Kenyon klickt hier
  • Näheres über den Studiengang „Versorgung von Menschen mit Demenz“ erfahrt ihr hier

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3 Kommentare

  1. Seit 17 Jahren bin ich Betreuer meiner Eltern, jetzt Restfamilie Mutter. Meinem Vater war es vergönnt zu Hause zu sterben. Ohne „Hilfe – Haushälterin wäre eine Betreuung nicht möglich gewesen. „Burnout s gehören zum Standardprogramm von Familienangehörigen wenn sie nicht selbst in der Lage sind sich abzugrenzen. „Ich kann nur für einen anderen Menschen sorgen wenn ich mich auch um mich selbst sorge“.
    Vor 5 Jahren mußte meine Mutter zu Ihrem Leidwesen (auf einderer Ebene auch für mich) in ein Pflegeheim umziehen.

    Bzgl Pflegedienste (ambulant): Wir hatten da einen 6er im Lotto
    Bzgl Pflegedienst (ambulant) für mich: Von OK bis Katastrophe

    Seit 1 Jahr wohne ich da ich im Alltag Hilfe benötige im gleichen Pflegeheim. (Es war absehbar das dieser Zeitpunkt kommen würde)
    Nur kurz soviel. Da ich fit im Kopf bin weiß ich mich zu wehren. Für meine Mutter wenn s denn wieder einmal sein muß wie auch für mich. Wie und Wo. Mit 17jähriger Erfahrung weiß ich wo s hängt. Politisch wie auch auf der Ebene des Pflegepersonal. „Die Pflege ist einzig und alleine vom Pflegepersonal abhängig“. Das jedoch erfordert mitunter Solidarät untereinander. „Mangelware“.

    Ich bin nach wie vor Betreuer „

    • Kati sagt:

      Lieber Wolfgang,
      vielen Dank für deinen Kommentar und dafür, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg bei deinen Anliegen.
      Liebe Grüße
      Kati

  2. helga sagt:

    Danke für Mitleid! Es ist ein seltsames Gefühl, einigen überhaupt unverständlich und fremd. Mein Opa ist auch pflegebedürftig und wir haben seinen Alltag den fachlichen Händen anvertraut https://www.hanse-pflegedienst.de/ambulanter-pflegedienst2 Nichts verloren, sondern eher gewonnen hat der Opa. Ein ausgewogenes Menü, ambulante Hilfe im Bedarfsfall, ein geselliger Partner für jeden kommenden Tag! Mir scheint, dieser Weg wurde richtig gewählt, besser für alle! Danke für Ihr Verständnis!

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